Folgen Sie mir. Bitte!
Mein Bericht von gestern: 238 „echte“ Visits, also Besuche, mit einer Absprungrate von 65,43 Prozent und einer durchschnittlichen Verweildauer von 1 Minute und 34 Sekunden. Außerdem 456 Follower, 67 „Gefällt mir“ und 134 Kontakte, aber nur 20,18 Prozent in unserer Zielgruppe. Das muss besser werden.
Genau. Unsere Firma macht jetzt in Facebook.
Und in Xing, Twitter, Google+, Linkedin und … ach, was weiß ich, denn jeden Tag kommt ein neues Soziales Netzwerk dazu. Und überall müssen wir dabei sein, sagen die Chefs. Weil damit nicht genug ist, füllen wir neben der Website mittlerweile zwei, nein drei Blogs mit Content (so heißen Bilder und Texte jetzt). Jeden Tag werden es mehr.
Web 2.0, Affiliate, Flash, AdWords, CPC, URL, Chat, Community, Inbound, SEM, Hashtag, Joomla, Keyword, ORM, Landingpage, PI und noch viele seltsame Begriffe und Kürzel mehr. Damit werfen die SEM- und SEO-Experten um sich, die unsere Firma auf Wunsch der Chefs nun am Hals hat.
Meinem Einwand, dass ich eigentlich das Internet verstehen und keine Vokabeln lernen will, folgte der moralische Dampfhammer: „Sie benötigen mehr Freunde, mehr Fans und mehr Kontakte!“ Diese wiederum sollen der Firma und mir den Weg zum endlosen Netzwerk mit immensem Reichtum und nachhaltigem Erfolg – und schließlich zum besseren Google-Ranking bereiten. Oder war es umgekehrt? Nun, ich arbeite daran.
Noch aber haben die anderen einfach mehr. Selbst in den Pausengesprächen von Workshops mit Kollegen anderer Unternehmen dreht sich alles um Internet und Social Media: „Und wie viele ‚Gefällt mir‘ habt Ihr? Was, so wenig? Ihr rekrutiert noch nicht euer Personal online?“
Eine jüngere Kollegin bietet derweil ihre Hilfe an: „Einen Moment bitte, ich check das mal auf meinem Smartphone … ha, ich habe es doch geahnt, Euer Google-Pagerank ist ja katastrophal. Und die Twitter-Aktivitäten sind völlig suboptimal. Das geht gar nicht.“
Geht es doch. Was allerdings egal ist, weil unsere Chefs und die Experten in zahllosen Meetings und Workshops folgende Prozessoptimierung verabschiedet haben: Während bestellwillige Kunden über Hotlines von Linkedin auf unsere Blogs gelotst werden, hält sich unser Vertrieb in geschlossenen XING-Gruppen gegenseitig auf dem neuesten Stand.
Parallel wird unser Marketing auf Facebook mit einer Mobile App (irgendwann erfahre ich, was das ist) aktiv und preisen auf Twitter unsere Produktmanager im Minutenrhythmus den Stand ihrer Entwicklungen an – zwischen den politischen Kommentaren der Kanzlerin und dem Trennungsschmerz von Demi Moore. Das eine stört, das andere nicht.
Schon bald werden wir bei Google ganz weit oben stehen. Bravo!
Aber plötzlich meint einer: Verkaufen wir damit ein Produkt mehr …
c/o Bernhard Krebs