Im Workshop, da schwimm’ ich
Ich bin kein Maler, verstehe wenig von Bildhauerei und Film interessiert mich nur in Maßen. Ich bin nicht kreativ, niemals innovativ und Ideen habe ich auch keine. Literatur ist mir jenseits der Börsennachrichten und Sportberichterstattung ein Graus – was Metapher, Allegorie, Motive, Topos oder Symbolik bedeuten: Ich kapiere sie nicht!
All das verbindet sich zu einem Gemenge der Ignoranz, das meinem – zugegeben – eingeschränkten Dasein lange Zeit eine durchaus annehmbare Lebensqualität mit regelmäßigem Sex gab. Sollte der letzte Zusammenhang nicht sofort nachvollziehbar sein: Einfach einen Frauenversteher fragen, wie er sich als „guter Freund“ fühlt.
Ich bin einer, der auf die drängende Frage des Motivationskünstlers „Wollen Sie Erfolg?“ mit einem lapidaren „Nö“ antwortet und sich bei den „sicheren“ Empfehlungen seines persönlichen Bankberaters zu unweigerlichem Reichtum bloß fragt: Warum liegt mein Bankberater eigentlich nicht in einer Hängematte auf Barbados?
Und dennoch habe ich heute ein Haus gebaut, bin gegen den Strom geschwommen und habe eine Brücke überquert, habe ein zartes Pflänzlein gegossen und in einem Orchester als zweite Geige mitgewirkt. Ich bin nicht gerne eine Geige.
Damit aber nicht genug meiner Tagesleistung: Ich habe in einem Koch-Team ein 5-Gänge-Menü kreiert, diverse Netze gewebt – und die Finger an all meinen Händen mit den Prinzipien eines ganzheitlichen Lebens versehen. Mein Daumen hat jetzt einen Namen, der Mittelfinger auch.
Genau. Ich hatte heute einen Workshop. Beziehungsweise hatte er mich. Und zwar in der Symbolfalle, die alles und jeden anschaulich machen soll.
Generell habe ich ja nichts gegen Arbeitssitzungen. Und ich muss der heutigen Veranstaltung der Fairness halber auch bescheinigen, dass sie ein vernünftiges Ergebnis zustande brachte. Selbst der teuer verpflichtete Workshop-Leiter schien am Spätnachmittag im Verlauf einer hitzigen Diskussion durchaus Sachverstand zu zeigen.
Aber: Warum tat er es nicht früher?
Stattdessen packte er umständlich seinen Moderatoren-Koffer aus, quälte erwachsene Menschen mit frühkindlichen Frage-Antwort-Spielen, praktizierte das „Ommmm“ der gelben Karteikarten und roten Klebepunkte – und ließ uns mit Tüchern und Bällen das Teampotential spielend ermitteln. Ja, ich gebe es zu: Als die Kasperl-Figur des studierten Moderator-Sozialpädagogen mein Schauspieltalent wecken wollte, bewies ich ihm, dass der Räuber Hotzenplotz nicht immer der Verlierer sein muss.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt fiel das Urteil vernichtend auf mich hernieder: Mein Haus ist auf Sand gebaut, vor dem Ufer saufe ich ab und mein Pflänzlein krepiert elendig.
Ich habe es nicht kapiert.