Weihnachtsbrief 2010
Ich mag Weihnachten. Schon immer und ohne jegliche Vorbehalte. Ich mag das Fest genauso, wie es ist. Das habe ich als Kind und Schüler nicht hinterfragt – und als Jugendlicher in einer heftigen existentialistischen Phase als die Ausnahme, welche die Regel bestätigt, festgeschrieben.
An Weihnachten und den 24 Tagen davor bin ich im Unschulds-Modus & jedes Jahr aufs Neue erstaunt, wie leicht mir das gelingt. Der Intellektuellen-Schalter des zynischen Zweiflers ist umgelegt, ebenso der Knopf des moralisch entrüsteten Religions- oder Konsumkritikers herausgesprungen. Ich lege pünktlich zum 1. Advent die CD mit „Last Christmas“ (Wham) und „Little Drummer Boy“ (Crosby/Bowie) ein und gehe gerne in die Kirche um zu beten und mir die Krippe anzuschauen.
Und ich habe noch nie verstanden, warum man immer nur das eine tun oder der andere sein darf. Ich glaube an die Weihnachtsgeschichte und lese meinen Jungs die Tolkien-Erzählungen vom Weihnachtsmann am Nordpol vor. Außerdem wünschen sie sich Holzschwerter, die sie bekommen. Ich hoffe doch schwer, dass da kein Widerspruch ist. Zumindest sehen die Jungs keinen darin – und die sind drei und sechs Jahre alt, aktuell Wikinger und müssen es also wissen.
Ich mag an Weihnachten Familie. Also, an Weihnachten mag ich sie besonders. Ich denke so gerne zurück, als ich ein kleines Kind war und pünktlich zur Ananas-Bowle meine 4 Großeltern, Tante Gerda und Onkel Wenzel und selbst mein nur 8 Jahre älterer Onkel Roland samt Monika auftauchten. An Weihnachten ließen sich selbst die beiden Opas in Ruhe, obwohl Sudetendeutscher und Tscheche. Zu fortgeschrittener Stunde sorgten Peter Alexander und Karel Gott für den kleinsten gemeinsamen Nenner. Der reichte an diesem Abend.
Als meine Mama gestorben war und an Weihnachten danach meine Schwester und ich, beide schon erwachsen, nicht so recht wussten, wie wir die Festtage überstehen sollten, haben wir einen Tag lang auf dem alten VHS-Recorder Videos angeschaut: Der kleine Lord, Sissy 1 bis 3, Das Leben ist schön und Drei Nüsse für Aschenbrödel. Seitdem liebe ich diese Filme. Und selten war ich meiner Schwester und wir beide unserer Mutter so nahe. Weihnachten kann seltsam sein. Auch deshalb mag ich es.
Ich mag Weihnachten und seinen Kitsch. Je mehr Lichter, desto besser. Schon als Kind hatte ich viele Stunden damit verbracht, auf die (Elektro-)Kerzen unseres Weihnachtsbaumes zu starren, die Augen zusammen zu zwicken und durch die schmalen Schlitze den Kerzenschein in die Form von Sternen zu beugen. Ich tue das heute noch.
Ich mag Weihnachten und seinen Konsum. Das Christkind besorgt meinen Jungs die ganz große Lego Eisenbahn & und ich belästige sie nicht damit, dass wir uns früher schon über einen Apfel gefreut haben. Erstens stimmt das nicht, weil die Apfel-Geschichte meinen Eltern gehört, und zweitens bekommen meine Kinder jeden Tag einen Apfel, wenn sie wollen.
Ich mag Weihnachten wegen Plätzchen, Glühwein, Weihnachtsbäumen, Christkindlmärkten und den sentimentalen Erinnerungen. Und ich freue mich über jede Karte und jede eMail, die in der Woche vor Weihnachten selbst die abgefeimtesten Weihnachtskritiker mir mit den besten Wünschen schicken. Man muss nicht alles hinterfragen und auf seine Glaubwürdigkeit prüfen.
Ich wünsche Euch allen, dass Ihr auch Weihnachten mögt.
Ein gesegnetes Fest.
Bernhard