Kosmetik? Auch Mann tut es.
Meine Ohren sind größer geworden. Sichtbar. Das gleiche Phänomen ist bei meiner Nase zu beobachten. Im Gegenzug haben sich die scharfen Konturen des Kinns verabschiedet und sind übergangslos im Hals verschwunden. Ich sehe aus wie Vadim Glowna, kann aber nicht auf die Anziehungskraft eines ehemals erfolgreichen Schauspielers bauen.
Ich bin in einem Alter, das gemeinhin mit den “besten Jahre eines Mannes” beschrieben wird. Und ich habe zur Verifizierung dieser Behauptung längere Zeit in einen Spiegel geschaut. Das hätte ich nicht tun sollen.
Die Falten sind eigentlich in Ordnung, denn die machen angeblich interessant. Ebenso wie die grauen Schläfen und die an Raum gewinnenden Geheimratsecken. Ob ich allerdings Träger einer Tonsur bin – glücklicherweise reicht mein Spiegel nicht so weit.
Zurück zur “Problemzone Nase”: Während der Rest des Gesichts aufgrund des Bildschirmarbeitsplatzes ins Gräuliche gewichen ist, schimmert zentral im Antlitz rötlich der regelmäßige Rotwein-Konsum des Kenners. Das ist nicht attraktiv, zumal in Kombination mit den wuchernden Nasenhaaren.
Dazu Krampfadern an den Oberschenkeln, schlaffes Bindegewebe am Po, trockene Haut überall und zentimeterdicke Hornhaut an den Fußsohlen.
Ich muss etwas tun.
Als feiger Hypochonder mit außergewöhnlicher Fantasie kommen für mich chirurgische Eingriffe und Botox nicht in Frage, weshalb ich mich – ganz natürlich – zu einer integrierten Kosmetik-Strategie mit drei Modulen entschloss:
Modul 1: Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen
Maniküre, Pediküre, bitte das volle Programm vom Spezialistinnen-Team. Mindestens einmal in der Woche wird der teure Termin gebucht, die Hände in warmem Seifenwasser gebadet und danach die Fingernägel stundenlang gefeilt. Ein Handpeeling darf ebenso wenig fehlen wie die parallel aufgetragene Gesichtsmaske, die den zahlreichen Hautunreinheiten den Garaus macht.
Keine Chance auch den Hühneraugen und Ekzemen zwischen großem und kleinem Zeh – und auf meiner Fußsohle kann ich nach einer intensiven Behandlung über jede Glasscheibe Kilometerweit schlittern.
Wie aber verhindere ich, dass ich lackierte Fußnägel, verlängerte Fingernägel in Regenbogenfarben und ein wasch-festes Make-up der Saison verpasst bekomme?
Modul 2: Schneiden und cremen
Rasieren? Überall rasieren? Kommt ja gar nicht in Frage, denn nachwachsende Haare jucken – auch unter den Achseln. Und auf Heißwachs über den Schenkeln verzichte ich ebenfalls gerne, denn ich bin typisch Mann sehr sensibel und etwas schmerzempfindlich.
Ich rasiere mir also wie gehabt den Bart und trimme mit dem eigens erworbenen Trimmer die Nasenhaare. Das tut übrigens reichlich weh – und investiere ansonsten täglich eine Stunde, meinen Körper mit Body-Lotion und mein Gesicht mit der revitalisierenden Pflegeserie FOR MEN einzucremen. Natürlich mit dem Coenzym Q10, ich bin ja kein Stümper.
Bei meinem Chef habe ich übrigens eine angemessene Arbeitszeitverkürzung beantragt. Schließlich profitiert er davon, wenn ich bei unseren Kunden gut aussehe.
Modul 3: Duften und entspannen
Zino Davidoff, Hugo oder ck one. Ich gebe zu, der Abschied von Old Spice gestaltet sich schwieriger als erwartet, zumal Irisch Moos angeblich keine Alternative sein soll. So verliere ich mich in dem unglaublichen Angebot an After Shave Lotions und Eau de Toilettes und entscheide mich schließlich für Poison.
Der Duft kann so verkehrt nicht sein, erinnert er mich doch frappierend an den Aufguss in der Sauna, die ich jetzt zweimal wöchentlich aufsuche. Denn erst Wellness macht den Mann so richtig schön.
Dabei sind 15 Minuten bei gefühlten 200 Grad Celsius Temperatur mit ein wenig Ehrgeiz zu schaffen; kritischer wird es, über diesen Zeitraum den Bauch einzuziehen. Er, sprich der Bauch, springt übrigens spätestens bei der Massage wieder heraus, wenn eine durchtrainierte Kampfschwimmerin mit ihren überdimensionierten Fäusten meinen Rücken traktiert.
Mal ehrlich, haben Sie sich heute Morgen auch einmal genauer im Spiegel angeschaut? Ja? Und wie sehen Ihre Ohren und ihr Nase aus?
c/o Bernhard Krebs