Bei Freunden übernachten
Auch wenn es billiger ist. Ich mag nicht gerne bei Freunden oder Bekannten übernachten, sondern steige lieber im Hotel ab – oder fahre lieber gleich nach Hause. Das hat nichts mit dem Komfort des angebotenen Quartiers zu tun (der zuweilen sehr hoch ist), der Gastfreundschaft (hier gab es in meinem Leben nur selten etwas zu mäkeln) oder mit der Tatsache, dass ich schon lange Zeit kein Student mehr bin, sondern einfach damit, dass ich Frühaufsteher bin.
Das heißt: Wenn ich aufwache und aufstehe, schläft das ganze Haus noch. Während der Spätaufsteher zu gegebener Zeit fröhlich vom bereiten Gastgeber begrüßt wird, wanke ich zwischen den beiden Alternativen, einfach im Bett oder auf der Gästematratze liegen zu bleiben („Aber ich muss aufs Klo!“) oder orientierungslos und meist zu laut in die – wie ich finde – Intimsphäre einer fremden Wohnung einzudringen.
Nachdem ich alle Schubladen durchsucht habe, finde ich endlich den Kaffee, scheitere aber an der High-Tech-Kaffeemaschine. Tee mag ich nicht, dafür zerfleddere ich unabsichtlich die Tageszeitung des Hausherren und mache ungewollt jede Menge Lärm (genau: das ist die Zeit, in der alles herunter fällt) in einem stillen Haus. Aus Langeweile spüle ich Geschirr vom Vorabend ab (obwohl es eine Geschirrspülmaschine gibt), räume es aber falsch ein.
Ich entdecke beim Durchstöbern der Bücherwand sorgsam versteckte DVDs mit erotischen Inhalten und verzweifle am gestörten WLAN-Zugang, der mein Smarthphone unbrauchbar macht. Ich hole schließlich Brötchen – und erfahre beim Zurückkommen, dass jemand die entriegelte Haustür wieder verriegelt hat (war der Hausherr auf dem Klo?). Die nächste Stunde verbringe ich deshalb mit dem Ohr an der Tür: Wann stehen sie denn endlich auf?
Ich sagte es bereits: Ich mag nicht gerne bei Freunden oder Bekannten übernachten.
c/o Bernhard Krebs